Es ist ja nicht das erste Mal. Das bislang letzte Mal ist sogar noch gar nicht lange her. Zumindest aus historischer Perspektive: Vor nur gut 100 Jahren hat zuletzt eine neue Technik den Alltag so grundlegend umgekrempelt wie heute das Internet. Damals war es das Auto.
Erfunden im ausgehenden 19. Jahrhundert durchlebte es in den ersten Jahrzehnten des 20. eine turbulente Kindheit. Mit ihr begann das Zeitalter der Massenmobilität, der Welt als Dorf. Das Zeitalter des schnellen Gütertransports an Orte, die die Eisenbahn nicht erreichte. Das Zeitalter von Taxi und Omnibus. Schon Ende der 1920er Jahre gab es auf den Straßen West- und Mitteleuropas zum ersten Mal mehr Motorräder als Reitpferde, mehr Pkws als Kutschen, mehr Lkws als Fuhrwerke, mehr Autotaxis als Pferdedroschken und mehr Motoromnibusse als Pferdeomnibusse.
Allerdings lebten die Verkehrsteilnehmer dieser Pionierzeit riskant, denn die technische Entwicklung vollzog sich schneller als die Gesellschaft sich daran anpassen konnte. So gab es anfangs nicht nur keine Kfz-Steuern und keine Autoversicherungen, keine Tankstellen und kein Werkstättennetz, sondern auch keinen TÜV, keinen Führerschein und keine Straßenverkehrsordnung.
Als einen Vorläufer des Verkehrsrechts hatte man 1865 in England den Red Flag Act erlassen, demzufolge zur Unfallprävention jedem der damals noch dampfgetriebenen Wagen ein Helfer mit roter Flagge vorauslaufen musste. Nur wenige Jahre später ging die erste Ampel in Betrieb. Mit Gaslicht betrieben explodierte sie nach kurzer Zeit und bekam erst 1912 ihre zweite Chance, nachdem sich die Elektrifizierung durchgesetzt hatte. Die anfängliche Anarchie hatte jedoch ihren Preis: Das Risiko, im Straßenverkehr zu sterben, war – gemessen am jeweiligen Kraftfahrzeugbestand – 1907 mehr als 60mal so hoch wie 100 Jahre später.
Wir kennen nun seit ein paar Jahrzehnten das Internet. Aber mir scheint, wir leben noch in der Gas-Ampel-Zeit. Die Technik ist uns einen Schritt voraus. Das Risiko, im Netz von Kriminellen beraubt oder von Kriminalern belauscht zu werden, ist enorm. Wesentliche Aspekte der Internet-Praxis sind noch immer unreguliert, es fehlen Normen und Gesetze für digitale Bürgerrechte, für Datenschutz und gegen Datenmissbrauch, im Urheberrecht, zur Sicherung der Netzneutralität und beim eGovernment. Gerade der Staat negiert seine Vorbildfunktion und lässt seine Sicherheitsorgane machen, was möglich ist.
Dem Auto folgten nach gut drei Jahrzehnten nach und nach Fahrbahnmarkierungen, Signalanlagen, Geschwindigkeitsbegrenzungen, einheitliche Verkehrszeichen und festgeschriebene Verkehrsordnungen. Im Internet sind nun mindestens ebenso viele Jahre verstrichen. Es ist an der Zeit.